Der Sommer steht bevor, und damit vielleicht auch Zeit zum Lesen und zum ins Kino gehen.

Hier ein paar kurze Anregungen von Büchern und Filmen, die mich in letzter Zeit angesprochen haben:


„Eine Frage der Chemie“ – gehört zu den Büchern, bei denen ich traurig war, als ich mich nach Beendigung des Lesens von der Protagonistin verabschieden musste – so sehr war sie mir ans Herz gewachsen. Das Buch lässt die Situation von Frauen Anfang der 60er Jahre lebendig werden, in denen die Küche, und nicht ein Chemielabor, als angemessenes Betätigungsfeld definiert wurde. Elisabeth Zott widersetzt sich auf ihre eigenwillige und liebenswerte Art diesem Diktat. Das Buch hat mir in seiner Mischung aus differenziertem Denken, tiefen Erlebensdimensionen, seiner Vielschichtigkeit und einer wunderbaren Komik ein großes Lesevergnügen bereitet.

„Eine Frage der Chemie“, Bonnie Garmus, Piperverlag, 2022


In dem Film „Morgen ist auch noch ein Tag“ erzählt Paola Cortellesi die Geschichte ihrer Großmütter in den Nachkriegsjahren Italiens. Sie führt nicht nur Regie, sondern gestaltet die Thematik auch als Hauptdarstellerin Delia, der es als Ehefrau und Mutter von drei Kindern lange nicht gelingt, sich vor der Gewalttätigkeit ihres Mannes zu schützen, die sich trennen möchte und (zum Leidwesen ihrer Tochter) immer wieder unterwirft. Es ist eine persönliche Geschichte, die im amerikanisch besetzten Rom direkt nach dem 2. Weltkrieg spielt, und die gleichzeitig sichtbar werden lässt, dass die Familienszenen und die Gewalt zur italienischen Normalität dieser Zeit gehörten.

Der Film löste in Italien große Begeisterung aus. Auch das hoffnungsvolle, bewegende Ende des Films verknüpft auf eine überzeugende Weise einen individuellen, persönlichen Emanzipationsprozess mit den gesellschaftlichen Entwicklungen dieser Jahre.

„Morgen ist auch noch ein Tag“, italienischer Film aus dem Jahr 2023


In diesem Jahr wird der 100. Geburtstag von Franz Kafka gefeiert und es gibt zu diesem Anlass viele erinnernde Veröffentlichungen.

Der Film „Die Herrlichkeit des Lebens“ hat mir sein Leben und sein Werk noch einmal sehr nah gebracht. Ich war von der ersten bis zur letzten Szene bewegt, berührt, vielschichtig angesprochen. Der Film zeigt das letzte Jahr Kafkas, der als junger Mann mit 40 Jahren an den Folgen seiner Tuberkulose starb. Aber dieses letzte Jahr, in dem sein gesundheitlicher Zustand immer leidvoller wurde, ist gleichzeitig ein wunderbares, beglückendes Jahr, in dem sich seine Liebe zu Dora, die in einem jüdischen Kinderheim arbeitet und die er bei einem Erholungsurlaub am Meer kennenlernt, entwickelt. Beide Rollen sind mit Sabin Tambrea und Henriette Confurius sehr überzeugend besetzt. Neben dem Teilhabendürfen an dieser tiefen, feinfühligen Liebesbeziehung, werden Lebensthemen von Kafka – wie die belastende Beziehung zu seinem dominanten Vater, von dem er sich befreien will, von dem er aber krankheitsbedingt finanziell abhängig ist – sichtbar. Auch Auszüge aus seinen Werken sind integriert. Und während oft in Kafkabeschreibungen nur die düsteren Seiten seiner Werke vermittelt werden, zeigt der Film den feinen Humor von Franz Kafka, der in vielen Szenen spürbar wird. Er regt zum Weinen, zum Lächeln, zum Denken und zum Fühlen an. Ein lohnender Abend!

„Die Herrlichkeit des Lebens“, deutsch-österreichischer Film aus dem Jahr 2024, nach dem Roman von Michael Kumpfmüller


Wenn Sie wie ich britischen Humor mögen, gerne Krimis lesen, und sich über ungewöhnliche Menschen und Handlungen freuen können, werden Sie die etwas skurrile, kluge und liebenswerte Gruppe einer Seniorenresidenz, die sich donnerstags trifft, um schwierige Mordfälle aufzuklären, ins Herz schließen. Gerade ist der 4. Band dieser Reihe „Ein Teufel stirbt immer zuletzt“ erschienen, und wieder habe ich ihn mit viel Freude und Spannung gelesen. Neben der kriminalistischen Handlung beschreibt Richard Osman auch in diesem letzten Band beeindruckend differenziert die 4 Hauptpersonen und ihre Beziehungen, den Umgang mit Nähe, Einsamkeit, Alter und Demenz – immer warmherzig und humorvoll. Schöne Ferienliteratur.

Kriminalromanreihe: „Der Donnerstags MORDCLUB“, Richard Osman, Listverlag


Und falls es auch noch ein bisschen fachlich werden darf im Urlaub:

Sylvia Wagenaar, eine Supervisionskollegin und Beraterin in der Zentralen Studien- und Karriereberatung der Universität Oldenburg, hat einen neuen Band aus der Reihe „Soziale Arbeit – kompakt und direkt“ zum Thema „Kollegiale Beratung in der Sozialen Arbeit“ herausgegeben: handliches Format, gut lesbar, interessant.

Auf anschauliche Weise vermittelt sie wissenschaftlich fundiert und mit vielen Praxisbeispielen, wann und wie kollegiale Beratung neben Supervision, Coaching und Praxisberatung zu einem vertieften Verständnis komplexer Fallbeispiele und damit auch zu einer höheren selbstreflexiven Kompetenz führen kann.

Und anregend – auch für SupervisorInnen – die Auseinandersetzung mit der Möglichkeit digitaler Beratungsformen im Unterschied zu Beratung in Präsenz.

Sylvia Wagenaar „Kollegiale Beratung in der sozialen Arbeit“, Kohlhammer Verlag, 2024


Inge Zimmer-Leinfelder

Der Sommer steht bevor – Buch- und Filmempfehlungen