Susanne Abel: Stay away from Gretchen. Eine unmögliche Liebe. München, 10. Auflage 2024

Susanne Abel: Was ich nie gesagt habe. Gretchens Schicksalsfamilie, München, 4. Auflage 2024

Was ist das für ein Buch, das eine Kollegin – die beim Autofahren ein Hörbuch eingelegt hatte – davon abgehalten hat, ihren Kaffee zu trinken. „Ich war so fasziniert von der Geschichte …“ Skeptisch, aber immer auf der Suche nach Geschichten, die mich eintauchen lassen, habe ich das Buch bestellt. Zudem geht es um meine Heimatstadt Köln, also: Stay away from Gretchen. Eine unmögliche Liebe.

Es ist die Geschichte von Gretchen, Anfang der 1930er Jahre geboren. Diese beginnt in der Vergangenheit und wir lernen Gretchens Perspektive kennen. Die Gegenwart drückt sich im Erzählstrang aus, der das Erleben ihres Sohnes wiedergibt. Tom Monderath ist ein bekannter Nachrichtensprecher. Er ist zunächst genervt damit beschäftigt, dass ihre Demenz zunehmend in den Vordergrund tritt. Große historische und aktuelle Themen sind eingeflochten: Nationalsozialismus, Flucht, brown babies, Rassismus – um nur einige zu nennen.

Manchmal ist es mir zu viel, aber es wird nicht langatmig. Zudem gibt es Themen, wie z.B. die Beziehung von deutschen Frauen zu amerikanischen Soldaten, deren Folgen und Konsequenzen, die mir in der Dimension fremd waren. Erst durch die Demenz kann Gretchen ihrem Sohn ihre Geschichte – und damit seine – eröffnen. Doch die mitgeteilten Bruchstücke muss er selbst zusammenfügen. Schreckliche Familiengeheimisse werden ans Tageslicht befördert.

Daneben, zum Glück und zur Entspannung auch eine sich entwickelnde Liebesgeschichte. Einige Themen haben mich aufgewühlt, andere befremdet. Doch neugierig habe ich die Anmerkungen am Ende des Buches gelesen. Die Autorin verweist auf Dokumente, wer ihr bei der Recherche hilfreich war und es ist erschreckend, was auch ins historische Vergessen gerutscht ist.

Und dann der zweite Band, „Was ich nie gesagt habe. Gretchens Schicksalsfamilie“ führt weiter in die Abgründe. So wird z.B. herausgearbeitet, wie ungebrochen nationalsozialistisches Denken und Handeln durch den Onkel weitergeführt werden.

Tom Monderath erfährt mehr über seinen Vater, der als junger Mann im Krieg war und mit Ausnahme eines Onkels seine gesamte Familie verloren hat. Sein Versuch, nach dem Krieg mit Gretchen glücklich zu werden, scheitert an vielen Stellen, weil die Geheimnisse nicht aufgedeckt und besprochen werden können. Das Schweigen und die Sprachlosigkeit sind etwas, das er weitergibt, – so wie viele andere seiner Generation. Damit sind wir in unserer Generation bis heute beschäftigt.

Mich haben beide Bücher berührt, eingeführt in Themen, die ich vergessen, verdrängt oder nicht gekannt habe. Froh bin ich um die fiktiven versöhnlichen Passagen … trotzdem gibt es viel zu denken.

So habe ich nach dem ersten Band verstanden, warum meine Kollegin ihren Kaffee vergessen hat, und musste selbst gleich den zweiten lesen.

Monika Maaßen, Juni 2024

Susanne Abel: Stay away from Gretchen | Was ich nie gesagt habe