Wie der Bohmsche Dialog Zuversicht stärkt

Kultur ist geteilte Bedeutung. Nehmen wir an, wir wären in der Lage, Bedeutungen frei zu teilen, ohne den zwanghaften Drang, unsere Sichtweise durchzusetzen oder sich an die der anderen anzupassen, und ohne Verzerrung und Selbsttäuschung. Wäre das nicht eine echte Revolution in der Kultur?
(David Bohm)

Als die Frage vom FiS auf mich zukam, „was in Krisenzeiten trägt, was Orientierung gibt, was Mut macht?“, also was Zuversicht stärkt, fiel mir sofort der Bohmsche Dialog ein, der einen Fokus darauf legt, die „eigenen Annahmen und stillschweigenden Denkprozesse“[1] bewusst wahrzunehmen und zur Verfügung zu stellen, womit ein tiefgreifendes Verstehen und sich Verbinden ermöglicht wird. Ich habe erfahren können, selbst wenn man müde und geschafft vom Tag ist, geht man wacher, zuversichtlicher, mit weiterem Horizont als man in den Dialog gekommen ist, nach Hause. Das stärkt ungemein.

Im Buch „David Bohm, Vom Dialog, (s. S. 79–85)“ spricht Bohm davon, was wir alle in diesen Tagen, besonders auch während des Höhepunktes der Pandemie, oder der andauernden Krisen erleben: „Es steckt eine Menge Gewalttätigkeit in den Meinungen, die wir verteidigen. Sie sind nicht lediglich Meinungen, nicht lediglich Annahmen; sie sind Annahmen, mit denen wir uns identifizieren und die wir daher verteidigen, weil es ist, als würden wir uns selbst verteidigen. Der natürliche Selbstverteidigungstrieb, den wir im Dschungel erworben haben, ist von den Dschungeltieren auf diese Meinungen übertragen worden. Mit anderen Worten, wir sagen, dass es dort draußen einige gefährliche Meinungen gibt – genau wie es gefährliche Tiger geben könnte. Und in uns stecken ungeheuer kostbare Tiere, die verteidigt werden müssen. Also ist ein Trieb, der physisch im Dschungel sinnvoll war, in unserem modernen Leben auf unsere Meinungen übertragen worden. Und in einem Dialog werden wir uns dessen auf kollektive Weise bewusst.“[2]

Und wie gut wäre es (gewesen), wenn wir während Corona und auch ganz aktuell bewusst hätten: Das Aufeinanderprallen von Meinungen hilft nicht, der Wahrheit näher zu kommen. Bohm meint, sie müsse „vielleicht aus einer freieren Bewegung des stillschweigenden Geistes (kommen). Also müssen wir unsere Sinnsetzungen kohärent machen, wenn wir die Wahrheit erkennen oder an ihr teilhaben wollen. Deswegen ist der Dialog ja so wichtig.“

Mein Hintergrund zum Dialog? Ich selbst praktiziere und übe den Dialog nach Bohm seit 2008 in einer Gruppe in Zürich. Sie bestand mit regelmäßigen, (fast) monatlichen Treffen bis 2021 in der Corona-Zeit, zuletzt auch per Zoom. Diese Erfahrung bewog mich, 6 Tage zum Bohmschen Dialog in die Nachdiplomstudiengänge zum/r Kommunikationstrainer*in an der Akademie für Erwachsenenbildung Schweiz, geleitet von einem Dialog-Facilitator, zu integrieren. 2021 fragten meine (Geschäfts-) Partnerin und ich uns, was unser Beitrag sein könnte, um noch in der Corona-Zeit in unserer Stadt etwas anzubieten, das hilft, Brücken zu anderen zu bauen, das Gräben überwindet, das möglich macht, anders miteinander umzugehen, kreativer zu werden im Lösen von Problemen, als wir es in der Bevölkerung, in Organisationen und den Medien erlebten („hier die Guten, da die Bösen“) und uns schien der Dialog das Angemessene. Seit Herbst 2021 tagt nun eine Gruppe in Winterthur, die Pensionierte, noch im Erwerbsprozess Seiende, Angestellte, Selbstständige, Frauen und Männer zwischen ca. Ende 30 und Ende 60 einschließt. Alle, sich jeweils für ein halbes Jahr verpflichtend, sind daran interessiert, sich ca. 8–10x pro Jahr im Dialog zu üben und ihn zu leben. Manchmal kommen Besuchende dazu zum Schnuppern. Über die letzten drei Jahre ist aus dieser Gruppe eine feste Größe geworden. Es hat uns allen geholfen, die Zumutungen des Alltags besser zu bewältigen, unsere Bedrohungsgefühle zu teilen, plötzlich ganz andere Sichten darauf zu erhalten, in der Vielfalt der Äußerungen etwas völlig Neues aufkeimen zu sehen. In mir klingt immer noch der Satz einer Frau aus der Gruppe nach, den sie vor über 2 Jahren (Beginn des Ukrainekrieges, und noch in der Coronazeit, die uns im Griff hielt) aus vollem Herzen sagte: „als Grossmutter mit 8 Enkelkindern bin ich quasi verpflichtet, zuversichtlich zu sein und mich, wo ich kann, einzusetzen, dass es gut wird!“. Das gab einen Kick in eine völlig andere Richtung und tat allen gut, die sich vorher nur negativ geäußert hatten.

David Bohm definierte Dialog (dia=durch, logos=Wort) als „freien Sinnfluss, der unter uns, durch uns hindurch und zwischen uns fliesst“. Im Gegensatz dazu haben Wörter wie Diskussion, Debatte und Disput von ihrer Herkunft her immer einen trennenden Anteil (discutere: zerschlagen, zerteilen, zerlegen; battuere: schlagen, disputare: auseinanderschneiden)[3]

Um noch besser zu verstehen, was der Dialog bewirkt, hier ein paar direkte Einblicke in unser letztes Treffen, gekoppelt mit dem Vorgehen im Dialog:

  1. Zu Beginn schlagen wir einen Gong, der uns allen ermöglicht, in die Stille oder dem Klang zu lauschen und so bei uns selbst zu landen.
  2. In der Anfangsrunde, in der jede Person sagt, was sie beschäftigt oder wie sie in den Dialog kommt, entsteht möglicherweise schon das Thema (= generativer Dialog). In diesem gehaltenen Raum, in dem jede Person ihres ausdrücken kann und gehört wird, steckt bereits Wesentliches, das jemand im weiteren Verlauf aufgreift, weil es ihn oder sie berührt hat, oder wo schon zwischen einzelnen Äußerungen Verbindungslinien deutlich werden, die jemand später herausschält. Im Anfang kann ganz Persönliches oder Gesellschaftliches/Politisches, das drückt oder Angst macht, geäußert werden, manchmal kommt Tragisches oder Beglückendes.

    An diesem fast zweistündigen Abend mit 8 Teilnehmenden (aus einem Umkreis von 140 km, aber die meisten aus Zürich und Winterthur), waren zwei Neue, eine die das 1. Mal als Besuch aus Deutschland dabei war, und eine, die Jüngste in der Runde, die das 2. Mal anwesend war und sich als sehr dankbar bezeichnete, dass sie diese Gruppe entdeckt habe. Beide waren offen und gespannt, was sich ereignet.

    Eine weitere Person brachte ein, dass sie schon länger in dieser Gruppe mal darüber sprechen wollte, was unsere Demokratie hilft zu bewahren und was jede*r tun kann, um sie zu stärken.

    Die nächste Person sprach von einem Erlebnis in einer Musikgruppe, in der sie improvisierten, und sie beschäftigte, was dies ermöglicht; wie laut jemand sein darf, um andere noch vorkommen zu lassen und wie man die Balance hält, oder welche Bedingungen gegeben sein müssen, damit Kreativität sich entfalten kann.

    Die nächste sprach von einem Ausstellungsbesuch am Vormittag. Die Kunstwerke waren gekoppelt mit QR-Codes, die Videos verknüpften sowie Musik. Das sei wie ein Einprasseln von Eindrücken gewesen, ein Zuviel, das den Besuch beeinträchtigt habe, fast ins Negative kippen ließ. Eine Informationsflut, die die Aufnahme erschwerte. In mir kam die Parallele zu all den Informationen auf, denen wir tagtäglich durch Fernsehen und (auch so benannt sozialen) Medien ausgesetzt sind … – Die Gegenerfahrung dazu, war das „Guetzli backen“ mit 2 wunderbaren Enkelinnen, die so wache junge Frauen seien, von denen sie hoffe, dass sie einen guten Weg für sich finden würden.

    Die nächste erzählte von Macht und Willkür, der sie am Arbeitsplatz ausgesetzt sei und wie sehr das mundtot und krank machen würde. Sie sei so froh, mit so vielen Menschen hier im Dialog sitzen zu können, wo wir uns echt begegnen, und etwas Gemeinsames entsteht.

    Eine weitere Person erzählte davon, dass sie sich auf einer Veranstaltung fürchterlich aufgeregt habe über eine Äußerung eines Mannes gegenüber Frauen und dass sie am liebsten laut durch den Saal mit Fingerzeig gerufen hätte: „Dieser Mann übrigens meint, dass man keine Frauen anstellen könne, weil diese schwanger würden und dann sowieso nur krankgemeldet wären“.

    All das bleibt stehen, ohne Kommentare. Alle erhalten einen Einblick, was in jeder Person gerade lebendig ist. Viele schauen auf die gestaltete Mitte, damit es nicht nur als Persönliches ankommt, sondern „im Gruppenraum“ landet.

    Exkurs was sich in der Mitte befindet (siehe Foto)


    Wir legen die Kernfähigkeiten des Bohmschen Dialogs zur Erinnerung als Karten im Kreis aus. Nicht selten fällt der Blick einer Person aus dem Kreis auf die vor ihr liegende Karte und das verändert den weiteren Dialog, weil sie einbringt, was ihr jetzt dazu (lernend) durch den Kopf geht (siehe Erläuterungen dazu bei Hartkemeyer, M. & F., Freeman Dhority, L.: Miteinander Denken, S.78–95).Eine Klangschale, die immer dann, egal von wem, ins Klingen gebracht werden kann, wenn man den Prozess verlangsamen will. Es darf erst wieder gesprochen werden, wenn kein Ton mehr zu hören ist, am besten als erstes von der Person, die die Klangschale anschlug, zur Erläuterung, warum es für sie wichtig war, innezuhalten.Ein Redegegenstand, wir benutzen einen Stein. Eine Blume, nebst einer Kerze, ergänzen die Mitte, wobei die Blumen und die Kerze nur dazu dienen, den Blick der Gruppenmitglieder in der Mitte zu halten, damit ein hin und her sowie ein persönlich werden im Gespräch leichter vermieden wird und ein Fokus auf den jetzt so benannten „Gruppengeist“ entsteht.Der Redestein wird von denjenigen, die gerade sprechen möchten, aus der Mitte genommen und am Ende des Sprechens zurückgelegt. Die Person wird nicht unterbrochen. Allein durch den Redestein entsteht Verlangsamung, die Respekt und das sich-selbst-beobachten, was in einem geschieht, fördert.Nur in der Einstiegsrunde wandert der Redestein von Person zu Person im Kreis, nachdem den Stein jemand aus der Mitte nahm, der oder die heute beginnen mag.


  3. Nach der Einstiegsrunde nimmt der Dialog, manchmal nach einem längeren Schweigen, seinen Lauf.

    Im Schweigen kann gut wahrgenommen werden, welche Gedanken und Fragen auftauchen, wie ich innerlich mit diesen umgehe: Führe ich ein inneres Gespräch? Kommen Gedanken und verschwinden dann wieder wie Wolken? Welche Gefühle gehen mit meinem Denken einher? Spüre ich meinen Körper? Was nehme ich von ihm wahr? – Die beste Einstimmung in die dialogische Haltung: mich selbst und mein Denken sowie die Wirkungen, die wir aufeinander ausüben, wahrnehmen.[4]

    Eine der ersten Reaktionen im letzten Dialog war, dass von einem warmen Gefühl von einer Person gesprochen wurde, dass alles Geäußerte in der Einstiegsrunde auf eine bestimmte Art und Weise, ohne diese genau benennen zu können, zusammenhänge. Eine sagte später, das Thema könnte sein „Verbindungen, und wie werden sie ermöglicht“ oder „wie Begegnung, auch oder trotz heftiger Gefühle, möglich ist“, innerhalb welchen Rahmens, mit wieviel Sicherheit, …?

    Danach entstand ein Moment der Stille, in dem alle bemerken können, was das Gehörte in ihnen auslöst: Stimme ich dem zu und was heißt diese Zustimmung für mich? Denke ich etwas ganz anderes? Oder: Finde ich es zu soft, was da gesagt wurde, und wieso muss ich das jetzt bewerten? Regt es mich auf? Was ist es, was mich daran aufregt?

    Auf diese Weise entsteht eine ähnlich gelassene Stimmung, wie in einer Meditation, so dass man für mich auch von „kommunikativer Meditation“ oder „meditativer Kommunikation“ beim Bohmschen Dialog sprechen kann. Alles, was in mir auftaucht, nehme ich wahr, ohne mich davon forttragen zu lassen. Gefühle werden nicht erstickt oder versucht, sie loszuwerden. Ich gehe innerlich einen Schritt auf Abstand und nehme sie bewusst wahr, lerne sie vielleicht gerade neu kennen, oder sie erinnern mich an etwas, als es mir genauso erging … Was geschieht da in mir? Und vielleicht fällt mir auf, dass ich gar nicht so gut zuhöre, weil die andere Person über etwas ganz anderes gesprochen hat, als in mir gerade vorgeht … Bei mir persönlich wirkte z. B. das Wochenende mit der kleinen 5-monatigen Tochter meines Patensohnes nach. Was Verbindung ermöglicht, dachte ich und sagte es auch später, ist auch einfach „Sein“, wie dieses kleine Kindchen, das uns so offen angeschaut, angelächelt hatte, wenn wir es anlachten und versuchten auf seine Bedürfnisse einzugehen oder einfach in Kontakt zu kommen.

    „Die Pausen (im Dialog, A. d. V.) ermöglichen mir auch, zu spüren, ob mich etwas bewegt, das ich jetzt beitragen will, oder zu bemerken, ob alle anderen auch zu Wort kommen. Alle sollten die Möglichkeit haben, etwas beizutragen. Auch aufmerksames Zuhören ist ein Beitrag; niemand muss etwas sagen. Aber manche Menschen brauchen mehr Zeit, bis sie etwas in Worte fassen können oder sich trauen, etwas zu sagen. Dafür sollte Raum sein. Oft kommt im Schweigen auch ein größerer (vermeintlicher) Abstand zum Umgang der Gruppe mit dem sich herausschälenden Thema oder zu diesem selbst zum Ausdruck. Gibt es den Impuls, dennoch etwas zu sagen, selbst wenn es „nicht hierher zu gehören“ scheint, sollte die betreffende Person ihm folgen. Gerade das Ungewohnte, nicht auf den ersten Blick Zuzuordnende kann neue Perspektiven eröffnen und Zusammenhänge deutlich machen.“[5]

    Ein berührender Moment in unserem letzten Dialog war, als wir plötzlich über Grenzen der Verbindung und Begegnung sprachen: dann, wenn wir Angst bekommen, wenn uns auf der Strasse z. B. eine Gruppe Jugendlicher begegnet, offensichtlich auf Konfrontation aus. Oder wenn so viel Hass von Rechten (auch online) zuschlägt und Politiker*innen mit Drohungen eingeschüchtert werden, dass sie ihr Amt niederlegen. Eine meinte, ich weiche dann aus, gehe nicht in Kontakt. Eine der Neuen brachte eine persönliche Geschichte mit ihrem Sohn ein, der von klein auf, so bezeichnete sie es, aggressiv gewesen sei und heute in der Pubertät beschimpfe er sie, einmal z. B. als Teufel (als sie mit ihm Hausaufgaben anschauen wollte). Sie reagierte darauf mit Verneinung und meinte: Nein, ich bin doch eine Hexe – weil er sie vorher einmal als verdammte Hexe (schweizerdt. mit engl.: uhuere-bitch) bezeichnet habe, was sie mit viel Ärger und Sorge erfüllt hatte, bis sie wenigstens herausfand, woher er das hatte – die Kinder seiner Klasse nahmen mit dem Handy an sogenannten „battles“ teil, wer am besten Frauen beschimpfen könnte. Die Sorge wurde darüber nicht weniger, aber wenigstens war klar, wie er auf diese Worte kam. Die Selbstbezeichnung als Hexe ließ den ganzen Kampf in sich zusammenfallen, wie sie berichtete, und das gemeinsame Lachen ließ alles leichter werden. Auch in unserem Dialog. Geschichten wurden geteilt, wo ein schräger Ansatz, eine Perspektive, die bisher nicht eingenommen wurde, und Humor, Situationen entschärfte. Das machte mir und – ich glaube – auch vielen anderen im Kreis, die diese Geschichte gerade gehört hatten, in dem Moment wieder Mut, neue Wege mit ganz Andersdenkenden zu versuchen.

    Eine andere brachte nach einer Stillephase ein, wie sehr sie der Dokumentarfilm über den Dalai Lama beeindruckt habe. Immer wieder spreche er von Mitgefühl und dass wir im Alltag so häufig unterscheiden würden in „wir und die“ und dass „die“ auch zu uns gehören würden, … und dass das, was „uns“ „an denen“ stört, nur auch ein Teil von „uns“ wäre. Wie sehr fühlte sie sich ertappt, weil ihr das genauso passiere: Die rechten Politiker in der Schweiz z. B. als unmöglich zu empfinden, als ausgrenzend, als menschenverachtend und die Schubladisierung, die sie diesen Politikern in Bezug auf Migrant*innen beispielsweise vorwerfe, selber gerade in Bezug auf sie zu praktizieren. Das löste eine, bei mir selbst beobachtete, tiefere Schicht aus, wo bin ich selbst Teil des Problems und nicht der Lösung. Wie verhalte ich mich, wie versuche ich mich auf die Insel „der Guten“ zu retten, statt mich selbst an der Nase zu nehmen und mich auf den Weg der Veränderung zu begeben, weil ich nicht „besser“ als andere bin. Das war ein Schubs in eine ganz andere Richtung. Nachdenklich zu forschen bei sich selbst …Vielleicht ist deutlich geworden, mit diesen wenigen Linien, was im Dialog geschehen kann?

  4. Der Dialog endet jeweils mit einer Schlussrunde, in der der Redegegenstand wieder von Hand zu Hand wandert: Wie habe ich den Dialog erlebt? Wie verlasse ich den Dialog? Was nehme ich mit? Worüber freue ich mich, was bedaure ich? Gegebenenfalls kann es auch um weitergehende Impulse gehen, etwa: Welche Anregungen für Veränderungen haben sich für mich ergeben? Die Runde ermöglicht noch einmal, dass alle zu Wort kommen. Auch diejenigen, die nichts gesagt haben, erhalten die Gelegenheit, sich dazu zu äußern, wie sie den Verlauf erlebt haben.[6]

    In unserem letzten Dialog wurden in der Schlussrunde viele Anregungen genannt, selbstverständlich ohne dass je Tipps geäußert worden waren, aber das Feld der Gruppe hatte eine Kreativität in jedem und jeder Einzelnen freigelegt, eine Improvisationslust, die der Musiker am Anfang angesprochen hatte. Die Person, die Willkür am Arbeitsplatz erlebt, war voller Dankbarkeit (auch wenn das für einige jetzt kitschig klingt) und fühlte sich nun zuversichtlicher, ihren Weg zu suchen, sich eine Auszeit zu nehmen, in der sie die Perspektiven erweitern kann, wohin es weiter gehen soll. Bewusster wurden die eigenen Grenzen bei sich selbst wahrgenommen und, obwohl wir nicht direkt über die Demokratie gesprochen hatten, wurde über diesen Dialog eine Stärkung erlebt, sich einzusetzen, nicht müde zu werden, auf andere zuzugehen. So freute sich die Frau, die sich über den Mann mit seiner Äußerung über junge Frauen an einer Veranstaltung aufregte, darauf, ihn wieder zu treffen und in Kontakt zu gehen, was vorher unmöglich schien.

    Das war durch den Dialog geschehen. David Bohm bezeichnet das dem Gruppenganzen Zuhören im Dialog – als „das Bild eines freien Sinnflusses, der unter uns, durch uns hindurch und zwischen uns fließt und einen Sinnstrom innerhalb der ganzen Gruppe ermöglicht, aus dem vielleicht ein neues Verständnis entspringen kann. Diese Einsicht ist etwas Neues, das zu Beginn möglicherweise gar nicht vorhanden war. Sie ist etwas Kreatives. Und dieser untereinander geteilte Sinn ist der „Leim“ oder „Zement“, der Menschen und Gesellschaften zusammenhält“.[7]

    Wie die Kommunikations- und Denkweise des Dialogs zu einer anderen Form gemeinschaftlichen Handelns führen könnte, zeigt das von Bohm selbst vorgestellte Beispiel eines nordamerikanischen Indianerstamms von Sammlern und Jägern. Die Gruppe hatte etwa die Größe einer Dialogrunde: von Zeit zu Zeit setzte sich dieser Stamm also im Kreis zusammen. Sie redeten nur, redeten und redeten, scheinbar ohne Ergebnis. Sie trafen keine Entscheidungen. Es gab keinen Anführer. Und jeder konnte etwas zu dem Gespräch beitragen. Möglicherweise wurde den Worten der weisen Männer und weisen Frauen – der Älteren – mehr Aufmerksamkeit geschenkt, aber zu Wort melden konnten sich alle. Das Treffen ging weiter, bis es scheinbar grundlos abbrach und die Gruppe sich auflöste. Aber danach schienen alle zu wissen, was zu tun war, weil alle zu einem größeren Ganzen gehörten und weil sie einander so gut verstanden. Dann konnten sie in kleinen Gruppen zusammenkommen und etwas tun oder Entscheidungen treffen. (S. 49 f., ohne Nennung der Quelle)

    Bohm beabsichtigte auch, diese Kommunikationsform auf wissenschaftlichen Kongressen einzuführen. Statt fertige Ergebnisse zu präsentieren, sollten die Forschenden die Zuhörenden an ihrem Denken – an dessen Voraussetzungen sowie ihren Fragen und Unsicherheiten – teilhaben lassen. Wie anders wäre der wissenschaftliche Austausch auf diese Weise![8]

Möchten Sie wissen, was ChatGPT, zugegeben etwas stereotyp, mir als Antwort präsentierte, als ich den Auftrag gab: Schreib einen Text zum Bohmschen Dialog, in dem du begründest, warum dieser die Zuversicht ins Leben fördert!? Hier ist sie:

Der Bohmsche Dialog, benannt nach dem Physiker David Bohm, ist ein tiefgreifendes Kommunikationsformat, das darauf abzielt, das Verständnis und die Verbindung zwischen Menschen zu fördern. In einer Welt, die oft von Missverständnissen und Konflikten geprägt ist, bietet dieser Dialogansatz eine wertvolle Möglichkeit, Zuversicht ins Leben zu bringen.

Ein zentraler Aspekt des Bohmschen Dialogs ist die Offenheit für verschiedene Perspektiven. Indem Teilnehmer ihre Gedanken und Gefühle ohne Vorurteile und Bewertungen teilen, entsteht ein Raum, in dem echte Kommunikation stattfinden kann. Diese Art des Dialogs fördert nicht nur das Verständnis für die Sichtweisen anderer, sondern auch die Fähigkeit, eigene Überzeugungen zu hinterfragen. Diese Reflexion kann zu einem tieferen Verständnis der eigenen Identität und der Welt führen, was wiederum das Gefühl der Zuversicht stärkt.

Darüber hinaus ermutigt der Bohmsche Dialog zur Zusammenarbeit und zum gemeinsamen Entdecken von Lösungen. In einer Zeit, in der viele Menschen sich isoliert oder überfordert fühlen, kann die Erfahrung, in einem unterstützenden Umfeld zu kommunizieren, das Vertrauen in die Gemeinschaft und in die eigene Fähigkeit, Herausforderungen zu bewältigen, fördern. Wenn Menschen zusammenkommen, um Ideen auszutauschen und gemeinsam zu lernen, entsteht ein Gefühl der Zugehörigkeit und des gemeinsamen Ziels, das Zuversicht und Hoffnung für die Zukunft schafft.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Anerkennung der Komplexität des Lebens. Der Bohmsche Dialog lehrt uns, dass es oft keine einfachen Antworten auf schwierige Fragen gibt. Diese Erkenntnis kann dazu führen, dass wir uns von der Angst vor dem Unbekannten befreien und stattdessen eine Haltung der Neugier und des Staunens entwickeln. Indem wir die Unsicherheiten des Lebens akzeptieren und als Teil des menschlichen Daseins annehmen, können wir eine optimistischere Perspektive einnehmen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Bohmsche Dialog eine kraftvolle Methode ist, um Zuversicht ins Leben zu bringen. Durch offene Kommunikation, gemeinsames Lernen und die Akzeptanz der Komplexität des Lebens fördert er ein Gefühl der Verbundenheit und des Vertrauens, das in einer oft herausfordernden Welt von unschätzbarem Wert ist.

Ich finde, Chat GPT hat Wesentliches herausgefiltert, wie ich den Dialog in all den Jahren, und besonders seit Corona in den letzten 4 Jahren, erlebt habe. Das Feld der Bestärkung, es könnte doch gut werden miteinander und auf dieser Erde, wird grösser!

 

[1] Hartkemeyer, M.&J., Dhority, L. Freeman: Miteinander denken. Das Geheimnis des Dialogs, S. 53

[2] Zitiert nach Hartkemeyer: Miteinander denken, S. 52-

[3] Zitiert nach Christiane Geiser: https://www.gfk-institut.ch/wp-content/uploads/2015/07/a_cg_einf-bohm.pdf

[4] siehe http://jfwillms.de/wp-content/uploads/2023/02/Einf%C3%BChrung-in-den-Dialog-nach-David-Bohm-.pdf, letzter Zugriff: 5.12.24

[5] Zitiert nach http://jfwillms.de/wp-content/uploads/2023/02/Einf%C3%BChrung-in-den-Dialog-nach-David-Bohm-.pdf, letzter Zugriff: 5.12.24

[6] Zitiert und leicht verändert nach http://jfwillms.de/wp-content/uploads/2023/02/Einf%C3%BChrung-in-den-Dialog-nach-David-Bohm-.pdf, letzter Zugriff: 5.12.24

[7] Bohm, David: Der Dialog. Das offene Gespräch am Ende der Diskussionen. 1998, s. S. 32 und S.79–85

[8] https://jfwillms.de/wp-content/uploads/2023/02/Einf%C3%BChrung-in-den-Dialog-nach-David-Bohm-.pdf, letzter Zugriff: 5.12.24

Ulrike Arens-Fischer

Ulrike Arens-Fischer, KOMVISIO.ch, Sprechwissenschaftlerin (DGSS), Supervisorin und Mediatorin, ausgebildet in True Voice® n. Mark Fox, lebt in Winterthur und arbeitet für Verbände und Organisationen aus der Energiewirtschaft, Verwaltung, Bildung, im sozialen und kirchlichen Bereich in D und CH.

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