Bis Anfang dieses Jahres war ich Teilnehmerin des 24. Ausbildungskurses des FiS, der im Januar mit dem letzten Seminarblock seinen Abschluss fand. Als Teil der Ausbildungsgruppe durfte ich am vorletzten Seminartag mein Zertifikat in Empfang nehmen, das mir nunmehr bescheinigte, ganz offiziell „Supervisorin“ zu sein. Mit Ende des Seminarblocks war dann auch endgültig die Phase meiner Supervisions-Ausbildung abgeschlossen. Das hatte zunächst etwas Unwirkliches an sich: Die letzten fast dreieinhalb Jahre dieser Ausbildung waren nicht nur von vielen Veränderungen in meinem persönlichen Leben gekennzeichnet gewesen, sondern auch von gesellschaftlichen sowie globalen Krisen und Umbrüchen. Der Satz „es ist nun nichts mehr, wie es vorher war“ fühlte sich damit für mich durch und durch stimmig an.

Doch was hatte sich nach dem Seminarende, mit dem Übergang von der „Auszubildenden“ zur „Supervisorin“, für mich verändert? Obwohl uns die Ausbildungsleitungen im Kolleg*innenkreis willkommen hießen, war mir diese neue Rolle innerlich noch fremd. Ich spürte die Erwartung, dass irgendetwas jetzt doch anders sein sollte und ging auf die Suche nach Möglichkeiten, diese Veränderung irgendwie im Außen sichtbar (und damit greifbarer) zu machen: Eines der ersten Dinge, die mir dabei einfielen, war das „i.A.“ (= in Ausbildung) hinter meinem Supervisorinnentitel auf der Webseite zu löschen. Aus „Supervisorin i.A.“ wurde nun „Supervisorin“. Hatte die Kursleitung uns Ausbildungsteilnehmer*innen im ersten Seminarblock doch ausdrücklich darauf hingewiesen, den Titel nicht ohne diesen Zusatz zu verwenden, solange wir uns in Ausbildung befinden – und das war ich ja nun schließlich nicht mehr. Es erschien mir als ein guter erster Schritt. Ein weiterer Gedanke, der mir kam, war, ob ich „Voll-Supervisorin“ nun anfangen sollte, hohe Schuhe zu tragen. Damit würde ich die Veränderung und Entwicklung mit dem Plus an Zentimetern schließlich für alle auch optisch deutlich machen können. Weil ich in meinem Leben aber selten hohe Schuhe getragen habe und ich diese auch nicht sonderlich bequem finde, verwarf ich diese Idee schnell und musste im Nachhinein selbst über diesen merkwürdigen Gedanken lachen.

Im Umgang mit der Unsicherheit, die dieser Übergang für mich beinhaltete, suchte ich nach äußeren Markern, die mir dabei helfen sollten, die Veränderung zu verinnerlichen. Im Zuge dessen erinnerte ich mich an den Übergang meiner Tochter vom Kindergarten in den Hort: Es fand zu dieser Gelegenheit ein feierlicher Akt mit Kindern und Eltern statt, in denen die bisherigen Kindergartenkinder von den Erziehern aus dem Hoftor geschubst wurden, um anschließend durch ein anderes Tor die Einrichtung nun als Schul- und Hortkinder wieder zu betreten (Kindergarten und Hort befand sich in derselben Einrichtung). Wie eine Art „Initiationsritual“ sollte den Kindern damit deutlich gemacht werden: Ab jetzt verändert sich etwas. Solche feierlichen Rituale bei Übergangssituationen sind in allen Kulturkreisen zu finden. Sie markieren und verdeutlichen die Bedeutung der Veränderung, zeigen eindringlich: Es gibt ein „Davor“ und ein „Danach“.

Immer wieder erlebe ich in den Beratungen, die ich durchführe, dass Klient*innen überrascht und überwältigt sind von Veränderungen, die vorher in ihren Auswirkungen unterschätzt worden waren. Man dachte nach der Trennung, dem Stellenwechsel, dem Umzug wäre alles so wie vorher (oder vielleicht einfach nur besser). Weder hat man dem „Verlorenen“ die Bedeutsamkeit beigemessen, die man vorher eventuell so gar nicht wahrgenommen hatte, noch hat man eingeschätzt, dass das „Neue“ so schwierig sein wird. „Hätte ich vorher gewusst, wie schwierig das wird, hätte ich den Schritt nicht getan. Aber jetzt bin ich stolz auf das, was ich geschafft habe“ hat ein Klient mal zu mir gesagt. So kann es manchmal hilfreich sein, Veränderungen zu unterschätzen, um den notwendigen Mut zu haben, sie auch einzugehen. Manchmal braucht es hingegen eine Prise Realismus, wenn Menschen glauben, nach der Veränderung sei plötzlich alles besser. Und manchmal braucht es etwas an Ermutigung, die „Wachstumsschmerzen“, die Veränderungen mit sich bringen können, in Kauf zu nehmen, um lebensverbessernde Schritte zu tun.
Und was meinen eigenen Übergang anbetraf? Ich akzeptierte, dass weder der Titel noch Schuhe oder ein anderes äußeres Merkmal mir dabei helfen konnten. Denn irgendwie war dann alles, was es brauchte – wie so oft im Leben – einfach nur Zeit.

Susan Yassami

Susan Yassami (*1982), war von Oktober 2019 bis Januar 2023 in Ausbildung beim Fortbildungsinstitut für Supervision. Dipl.-Pädagogin, Systemische Beraterin und Therapeutin (DGSF), Psychotherapie HPG, EMDR-Therapeutin i.A., seit Februar 2023 Supervisorin (DGSv) Seit 2020 freiberuflich tätig in eigener Praxis in Frankfurt a.M. sowie online – www.entwicklungsfreiraum.de

„Und jetzt bin ich Supervisorin“ – Bleibt nun alles anders oder wird dann alles gleich?